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Die Bereitstellung industrieller Prozesswärme ist eine zentrale Herausforderung für ein zukünftiges, treibhausgasneutrales Energiesystem. Durch einen Vergleich der Prozesswärmebereitstellung in zwei Energiesystemszenarien werden Gemeinsamkeiten, die auf Richtungssicherheit hindeuten, dargestellt, sowie methodische und inhaltliche Gründe für Abweichungen herausgearbeitet.
Im Rahmen einer aktuellen Studie zur Transformation des Europäischen Energiesystems zur Klimaneutralität unter Berücksichtigung der Gaskrise entwickelte das Wuppertal Institut ein Szenario (EU27+UK) für die Transformation der europäischen Industrie inklusive Raffinerien und Kokereien, in dem die industriellen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 99 % gegenüber 2018 gemindert werden. Der Endenergiebedarf der Industrie sinkt in diesem Szenario durch den Einsatz von Wärmepumpen, andere Energieeffizienzmaßnahmen sowie einen Rückgang der Produktion in Raffinerien bis 2040 deutlich und der Bedarf an fossilen Gasen kann zeitnah gemindert und bis 2045 auf nahezu Null gesenkt werden.
Im Rahmen dieses Szenarios erfolgte auch eine detaillierte Abbildung der Entwicklung der Prozesswärmebereitstellung in Deutschland. Die Bereit- stellung von Niedertemperaturwärme (< 150 °C) erfolgt im Szenario größtenteils über Wärmepumpen und Fernwärme. Solar- und Geothermie spielen eine (kleinere) Rolle. Für die Dampfbereitstellung (150 - 500 °C) werden vielfach hybride Strom/H2-Kessel eingesetzt, daneben Biomasse. In der Chemieindustrie spielen auch langfristig Reststoffe aus Steamcrackern eine wichtige Rolle.
Die Bereitstellung von Hochtemperaturwärme erfolgt prozessspezifisch je nach den technischen Gegebenheiten der Prozesse (z. B. H2 in den Direktreduktions- anlagen und Biomasse in den Walzwerken der Stahlindustrie, abfallbasierte Brennstoffe vor allem in den Klinkeröfen der Zementindustrie, Biomethan und Strom in der Glasindustrie, Strom für Primär- und Sekundäraluminium). Biogene Energieträger in Kombination mit CCS (BECCS) ermöglichen in der Stahlindustrie und in der mineralischen Industrie die Bereitstellung von Hochtemperaturwärme und gleichzeitig negative Emissionen zur Kompensation von Restemissionen.
Treibhausgasneutralität in Deutschland bis 2045 : ein Szenario aus dem Projekt SCI4climate.NRW
(2023)
Die klimapolitischen Ziele Deutschlands und der EU machen eine sehr schnelle und tiefgreifende Transformation sowohl der Energieversorgung als auch der energieverbrauchenden Sektoren notwendig. Diese Transformationsherausforderung betrifft nicht zuletzt die energieintensive Industrie in Deutschland, die vor grundlegenden technologischen Veränderungen wichtiger Produktionsprozesse steht. Die Herausforderungen für die Industrie werden durch die aktuelle Energiekrise weiter verschärft.
Vor diesem Hintergrund stellt das hier vorgestellte Klimaschutzszenario "SCI4climate.NRW-Klimaneutralität" (S4C-KN), das im Rahmen des vom Land NRW finanzierten Forschungsprojekts "SCI4climate.NRW" entwickelt wurde, die möglichen künftigen Entwicklungen in der energieintensiven Industrie in den Mittelpunkt der Analyse. Das Szenario analysiert diese Entwicklungen im Kontext eines gesamtwirtschaftlichen Transformationspfads hin zu einem klimaneutralen Deutschland im Jahr 2045.
Die Herstellung petrochemischer Grundstoffe ist sowohl energetisch als auch stofflich in Deutschland für rund 20 % der Nachfrage nach Mineralölprodukten verantwortlich. Das Gros fließt in die Produktion von Olefinen und Aromaten, welche als sogenannte Plattformchemikalien wiederum die Ausgangsbasis für die Herstellung von Polymeren und Kunststoffen darstellen. Letztgenannte sind von größter Relevanz für die Branche: Von den knapp 60 Milliarden Euro Umsatz, welche die deutsche petrochemische Industrie im Jahr 2021 generierte, entfiel gut die Hälfte auf das Marktsegment der Polymere. Daraus resultieren jedoch über die gesamte Wertschöpfungskette CO2-Emissionen von rund 50 Millionen Tonnen jährlich.
Eine Transformation der heutigen auf fossilen Rohstoffen basierenden petrochemischen Industrie hin zu einem auf erneuerbaren Rohstoffen basierenden zirkulären System kann somit einen bedeutenden Beitrag zu einer primärenergetisch effizienten und klimaneutralen Wirtschaftsweise leisten. Das vom Wuppertal Institut geleitete Forschungsprojekt GreenFeed exploriert gemeinsam mit den Verbundpartnern Karlsruher Institut für Technologie und Deutsches Biomasseforschungszentrum mögliche Pfade hin zu einem solchen System.
Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Papier zunächst das heutige System der ökonomischen und stofflichen Synergiebeziehungen zwischen den Raffinerien und der chemischen Industrie analysiert. Im geografischen Fokus stehen dabei Deutschland und der ARRRA-Raum als bedeutendste Chemie-Region innerhalb Europas sowie inhaltlich der sehr relevante Teilbereich der Polymer-Produktion. Die Kerninhalte des Papiers sind:
1) Charakterisierung des petrochemischen Metabolismus in Deutschland, einschließlich Produktions-, Energie-, Feedstock- und Kohlenstoffbilanz sowie Infrastruktur- und Transport-Verflechtungen innerhalb dieses Systems und
2) regionale Vertiefungen in Form von insgesamt acht Steckbriefen über alle petrochemischen Kunststoff-Regionen in Deutschland sowie des Antwerpener und Rotterdamer Clusters.
Die Forschung der FVEE-Institute zum Einsatz von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff in der Industrie deckt sowohl technische Aspekte für einzelne Prozesse ab als auch systemanalytische Betrachtungen, die die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff am einzelnen Standort oder für bestimmte Branchen in Deutschland bzw. Europa untersuchen.
Die Motivation zum Einsatz von Wasserstoff ergibt sich aus drei Gründen:
1. In der stofflichen Verwendung wird Wasserstoff als Molekül benötigt und kann deshalb auch nicht durch andere Energieträger substituiert werden. So wird Wasserstoff bereits heute in großen Mengen in der Ammoniaksynthese (Haber-Bosch-Verfahren) sowie in den Raffinerien benötigt.
2. Eine weitere Verwendungsart für Wasserstoff ergibt sich aus seiner Fähigkeit, Sauerstoff aus Eisenerz chemisch zu binden. Beim Einsatz in Direktreduktionsanlagen kann Wasserstoff als Reduktionsmittel eingesetzt werden, um Eisenerz zu Roheisen zu reduzieren.
3. Als dritte Option gerät die energetische Verwendung von Wasserstoff in der Industrie zunehmend in den Fokus der energiepolitischen Debatten. Hier steht Wasserstoff in einem klimaneutralen System direkt in Konkurrenz zu anderen Energieträgern wie Strom und Biomasse.
Nicht erst seit dem Klimaabkommen von Paris, welches im Kern eine Begrenzung der menschengemachten globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten vorsieht, ist offensichtlich, dass eine umfassende Transformation der meisten Wirtschaftssektoren erforderlich ist, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Transformation erfolgt dabei zum einen durch Steigerung der Energieeffizienz und zum anderen durch eine Dekarbonisierung der bestehenden Prozesse, bei denen heute noch ein hoher Anteil fossiler Energien eingesetzt wird - dies kann gelingen durch eine weitreichende Sektorkopplung, Flexibilisierung und Elektrifizierung bei vollständiger Nutzung Erneuerbarer Energien.
Letzteres stellt auch die Energieversorgung in Rheinland-Pfalz vor einen Paradigmenwechsel: Die schrittweise Transformation eines von konventionellen Energieträgern geprägten Versorgungsystems zu einem durch Erneuerbare Energien dominierten System. Als eines der ersten Bundesländer hat sich Rheinland-Pfalz bereits im Jahr 2014 ein eigenes Klimaschutzgesetz gegeben sowie erstmals im Jahr 2015 ein Landesklimaschutzkonzept (LKSK) erarbeitet, welches energiepolitische Leitplanken für den angestoßenen Transformationsprozess setzt. Die vorliegende Studie im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz beleuchtet die Auswirkungen eines weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz und der damit verbundenen Flexibilisierung und Dekarbonisierung unterschiedlicher Anwendungsfelder, insbesondere in der Industrie aber auch im ÖPNV und zentraler Wärmeversorgung.
Die Grundstoffindustrie ist ein Pfeiler des Wohlstands in Deutschland, sie garantiert Wertschöpfung und sorgt für über 550.000 hochwertige Arbeitsplätze. Im Ausland steht Made in Germany für höchste Qualität und Innovationsdynamik. Aber: Trotz Effizienzsteigerungen sind die Emissionen der Industrie in den letzten Jahren nicht gefallen und durch die nationalen und internationalen Klimaschutzziele steigt der Druck. Die zentrale Frage lautet daher: Wie kann die Grundstoffindustrie in Deutschland bis spätestens 2050 klimaneutral werden - und gleichzeitig ihre starke Stellung im internationalen Wettbewerbsumfeld behalten?
Agora Energiewende und das Wuppertal Institut haben im Rahmen dieses Projekts in zahlreichen Workshops mit Industrie, Verbänden, Gewerkschaften, Ministerien und der Zivilgesellschaft die Zukunft für eine klimaneutrale Industrie diskutiert und einen Lösungsraum aus technologischen Optionen und politischen Rahmenbedingungen skizziert. In den Workshops wurde deutlich: Die Industrie steht in den Startlöchern, die Herausforderung Klimaschutz offensiv anzugehen. Die fehlenden Rahmenbedingungen und der bisher unzureichende Gestaltungswille der Politik, innovative Instrumente umzusetzen, hindern sie jedoch voranzugehen.
Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert. Denn jede neue Industrieanlage muss klimasicher sein - schließlich hat sie eine Laufzeit bis weit über das Jahr 2050 hinaus. Diese Publikation soll einen Beitrag dazu leisten, richtungssicher investieren zu können.
Die Grundstoffindustrie ist ein wichtiger Pfeiler des Wohlstands in Deutschland, sie garantiert Wertschöpfung und sorgt für über 550.000 hochwertige Arbeitsplätze. Um diese für die deutsche Wirtschaft wichtigen Branchen zu erhalten, müssen jetzt die Schlüsseltechnologien für eine CO2-arme Grundstoffproduktion entwickelt und für den großtechnischen Einsatz skaliert werden.
Die vorliegende Analyse ist als Ergänzung zu der Studie "Klimaneutrale Industrie: Schlüsseltechnologien und Politikoptionen für Stahl, Chemie und Zement" gedacht. Die 13 in der erwähnten Studie vorgestellten Schlüsseltechnologien werden hier für die technisch interessierten Leserinnen und Leser eingehender beschrieben und diskutiert.
Diese Publikation dient als Aufschlag für eine Diskussion über Technologieoptionen und Strategien für eine klimaneutrale Industrie. Alle Daten und Annahmen in dieser Analyse wurden mit Unternehmen und Branchenverbänden intensiv besprochen. Die quantitativen Aussagen sind trotzdem als vorläufig zu betrachten, da sich viele Technologien noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden und Abschätzungen über Kosten mit großen Unsicherheiten verbunden sind.