Zukünftige Energie- und Industriesysteme
Refine
Has Fulltext
- yes (3)
Year of Publication
- 2012 (3) (remove)
Document Type
- Peer-Reviewed Article (3) (remove)
Language
- German (3) (remove)
Division
Eine oft kontrovers diskutierte Frage ist, ob eine massive Dämmung von Häusern in der Gesamtbilanz nicht mehr Ressourcenverbrauch und Emissionen verursacht, als sie im Endeffekt einspart. Zur Untersuchung dieser Frage wurde nun erstmals eine trade-off Analyse durchgeführt. Hierzu wurde ein bottom-up Wirkungsanalyse-Modell entwickelt, dessen Kern ein Emissions- und Energiemodell für den Haushaltssektor bildet, gekoppelt mit einem Ökobilanzierungs-Tool. Den Rahmen für beide Modelle bilden Energieszenarien bis 2050, die für jede Dekade Sanierungsraten und Energiemixe vorgeben. Damit können "reine" Energieszenarien um ressourcenpolitische Analysen erweitert und die Auswirkungen verschiedener Dämmstrategien ermittelt werden.
Das zentrale Ergebnis der Modellierung ist, dass zusätzliche Aufwendungen für Dämmstoffe (untersucht wurden extrudierter Polystyrolhartschaum XPS und Zellulose) sowohl ressourcen- als auch emissionsseitig in fast allen Umweltwirkungskategorien durch erhebliche Einsparungen bei der Gebäudebeheizung überkompensiert werden. Im Wesentlichen sind keine Trade-offs erkennbar und der prozentuale Beitrag der Dämmstoffe an den Umweltwirkungsindikatoren ist gering. Relevant ist dagegen die Wahl des Treibmittels bei den aufgeschäumten XPS-Dämmstoffen: Gegenüber dem in Deutschland verwendeten XPS, das weitgehend mit CO2 aufgeschäumt wird, führt ein Dämmstoff, der hohe Anteile an Fluorkohlenwasserstoffen aufweist, zu einem hohen Trade-off bezüglich der Wirkungskategorie "stratosphärischer Ozonabbau" und zu einer erkennbaren, jedoch nicht so deutlichen Wirkung auf das Treibhaus-Potenzial. Eine Sensitivitätsanalyse mit dem alternativen Dämmmaterial Zellulose zeigt, dass sich die an sich schon geringen Anteile der Dämmstoffe an den Umweltwirkungsindikatoren weiter verringern. Hinsichtlich der Materialintensität sind XPS- und Zellulose-Dämmung jedoch mit vergleichbaren Auswirkungen verbunden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für beide Materialien ambitionierte Dämmstoffstrategien im Hinblick auf alle in dieser Studie analysierten Faktoren einen wesentlichen Beitrag sowohl zu Materialeffizienz- als auch zu Emissionsminderungszielen leisten können.
Die atompolitische Wende der Bundesregierung hatte zahlreichen Spekulationen und Befürchtungen Raum gegeben. Es wurde gemutmaßt, dass Deutschland zum Nettostromimporteur werden könnte, sollten die Kraftwerke (wie im Sommer 2011 beschlossen) dauerhaft außer Betrieb bleiben. Darüber hinaus nahm man an, dass die in Deutschland entfallende Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke oder durch Importe aus französischen oder tschechischen Atomkraftwerken ersetzt würde und dass Strompreise sowie CO2-Emissionen deutlich ansteigen würden. Inzwischen liegen vorläufige Energiebilanzen und Marktdaten für das Jahr 2011 vor, die viele dieser Befürchtungen widerlegen. Der hier vorgenommene Ausblick auf die mögliche Entwicklung in den kommenden Jahren zeigt zudem, dass die Bilanz von 2011 keine Momentaufnahme sein muss, sondern dass der gegenüber 2010 wegfallende Kernenergiestrom - bilanziell gesehen - voraussichtlich bereits ab 2013 allein durch eine erhöhte regenerative Stromerzeugung kompensiert werden kann.
Der Umbau der durch den Einsatz fossiler Energieträger dominierten Energiesysteme steht weit oben auf der politischen Agenda. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels, der Ressourcenverknappung und des ökonomischen Aufholens der Schwellen- und Entwicklungsländer wird diese Frage immer dringlicher. Zahlreiche politische, gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Herausforderungen sind mit diesem Umbau verbunden. Angesichts der Langlebigkeit der heute gebauten Infrastrukturen ergibt sich hieraus ein zentrales Feld für die wissenschaftliche Zukunftsforschung. Der Einsatz von Energieszenarios ist über Jahre erprobt und trotz zahlreicher methodischer und inhaltlicher Unsicherheiten bei der Erarbeitung der Szenariostudien bleiben sie unersetzlich - sofern sie wissenschaftliche Standards hinsichtlich der Wertneutralität und Überprüfbarkeit erfüllen. Auch in der geographischen Forschung findet sich das Thema "Energie" wieder verstärkt auf der Agenda. Bereits vor dem Hintergrund der Ölpreiskrisen in den 1970er-Jahren setzten sich Geographinnen und Geographen mit Energiethemen auseinander - angesichts des anstehenden Umbaus der Energiesysteme wird auch wieder die Frage aktuell, inwiefern sich die Transformation des Energiesystems und die Raumstruktur gegenseitig beeinflussen. Dabei werden nicht nur inhaltliche Fragen aufgeworfen, vielmehr ist auch zu klären, wie sich das Thema "Energie" in die etablierten geographischen Forschungsdisziplinen von der Klimageographie über die Wirtschafts- und Bevölkerungsgeographie bis hin zur Siedlungsgeographie eingliedern lässt. Die Ausführungen im vorliegenden Artikel gehen noch einen Schritt weiter und werfen die Frage auf, inwiefern sich durch die Verbindung geographischer Forschung und Energiethemen auch ein neues methodisches Experimentierfeld auftut. Konkret wird aufgezeigt, dass die Geographie verstärkt den Blick in die Zukunft wagen und sich von der Analyse rezenter Strukturen lösen sollte. Die Frage der zukünftigen Raumstrukturen angesichts des Umbaus der Energiesysteme ist von zentraler Bedeutung, unter Anwendung von Methoden der wissenschaftlichen Zukunftsforschung muss die Geographie hier antworten liefern.